Vor einiger Zeit hatte ich den Fall eines sagen wir mal nicht ganz gelungenen Briefs am Wickel, den eine Bank an meine Tochter adressiert hatte. Dieser Brief aus der Vergangenheit hat aktuell einen würdigen Nachfolger gefunden. Und ich endlich einen Zusammenhang, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.
Schriftliche Kuriositäten
Obwohl in den Augen der Kindseltern der gesamte Brief ein Sammelstück für ein Kuriositätenkabinett darstellt, beschränke ich mich hier auf einige Beispiele:
- „Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde“ – Im Adressfeld kannte die Commerzbank noch den eindeutig weiblichen Vornamen meiner Tochter.
- „Bitte kontrollieren Sie, ob Ihre Daten auf der Karte korrekt sind.“ Das durchaus pfiffige Töchterlein kann mit 4 Jahren erstaunlicherweise immer noch nicht lesen.
Prozesse und Zertifizierungen
Banken arbeiten meiner Kenntnis nach mit einer mehr oder weniger überschaubaren Anzahl definierter Prozesse. Diese sollen eine bestimmte Qualität bei Dienstleistungen sicherstellen bzw. dabei helfen. Beliebt gerade bei großen Unternehmen sind Zertifizierungen, die Qualität nach außen demonstrieren ja geradezu beweisen sollen. Allein hier liegt auch eine institutionelle Schwäche: Wenn kein Mensch mit Fingerspitzengefühl über Einzelfälle entscheidet, sondern in Software gegossene Fakten und Unterstellungen über Zusammenhänge zu einer automatisierten Entscheidung oder zu einem ausgedruckten Brief führen.
Fehlende Variable
Nach der Lektüre des Briefs habe ich überlegt, was der gemeinsame Nenner der gefühlten Peinlichkeiten hinter dem Dokument sei. Und ich habe tatsächlich einen Ansatz gefunden, der meiner Ansicht nach in den definierten Prozessen der Bank fehlt oder aus zu findenden Gründen wiederholt übersehen wird.
Kundenmehrheit
Die Mehrheit der Kunden der Bank besteht aus vollständig geschäftsfähigen Personen.
Diese können Bankgeschäfte in vollem Umfang tätigen, weil ihnen unterstellt wird, dass sie wissen, was sie tun. Grenzen für geschäftsfähige Kunden finden sich bei Bankgeschäften nur dort, wo das Gesetz vorsieht, dass der Verbraucher von der Bank gesondert auf Risiken bestimmter Geschäfte hinzuweisen und das auch zu dokumentieren ist. Grob gesprochen steigt die Anforderung an die Beratung mit dem Verlustrisiko der Anlageart. Eine Kurzauswahl solcher nach Risko sortierten Bankprodukte ist: Sparbuch, Fondsanteile, Aktien, Optionsgeschäfte.
Kundenminderheiten
Neben voll geschäftsfähigen Kunden haben Banken aber auch solche, die nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig sind.
Losgelöst von einer juristisch präzisen Abgrenzung fallen mit dazu spontan ein:
- Kinder
Hier wird unterstellt, dass der Kunde mangels Lebenserfahrung die Folgen seiner Handlungen nur in sehr geringem Maß einschätzen kann, so dass er vor Transaktionen zu schützen ist, die zu einem Vermögensnachteil führen können. - Jugendliche
Diese Kundengruppe darf schon ein wenig mehr entscheiden, ist aber immer noch ob seines Alters als schutzbedürftig eingestuft. - Menschen unter Vormundschaft
Dieser Kundengruppe ist in einem Verfahren u.a. das Recht abgesprochen, für sich selbst Entscheidungen mit weit reichenden ökonomischen Konsequenzen zu treffen. - Verstorbene bzw. deren Erben
Für Erben von Bankguthaben Verstorbener gelten klare Regeln für den Vermögensübergang. Diese Kundengruppe ist im Sinne des Mangels Optionen der Kundenansprache vielleicht am entbehrlichsten als Beispiel.
Weiter führende Fragen
Die Fragen mögen als Anregung zur Verbesserung verstanden werden. Sollten sie insbesondere ökonomisch nützlich für jemanden sein, freut sich der Autor sowohl über in Sprache gegossene als auch andere Zuwendungen. 😎 Schließlich entspricht das hier dargebotene einer ansonsten kostenlosen Unternehmensberatung.
- Namensansprache
Seit ich vor gefühlt über 30 Jahren das erste Mal die Serienbrieffunktion einer weit verbreiteten Textverarbeitungssoftware verwendet habe, ist es aufwandarm unter Nutzung von wenig technischem know-how möglich, die Anrededaten mit einem Musterbrief so zu vereinen, dass dieser personalisiert wirkt. Bei Banken, deren Kapital letztlich funktionierende Beziehungen zu Menschen sind, wäre der zu treibende Aufwand nicht gut investiert? - Personenansprache
Wäre es nicht sinnig, bei nicht oder nur bedingt geschäftsfähigen Personen Korrespondenz an die Erziehungs- oder Entscheidungsberechtigten zu adressieren und präzise zu formulieren? „Wir haben Informationen, die die Anlageform xy Ihrer Tochter betreffen.“ Oder aber man bricht das Produkt auf die Sprache der Empfängerin, was herausfordernd aber machbar scheint, so lange es um das klassische Sparbuch geht….