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Journalismus ABC

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Im Konzert bedruckten Papiers gehört die Berliner Woche nicht unbedingt zu denen, die in Funk, Fernsehen und Internet überdurchschnittlich oft zitiert werden. Das mag verschiedene Gründe haben. Beim Blick auf einen meinen Kiez Moabit betreffenden Artikel von Karen Noetzel sind mir zusätzlich Dinge aufgefallen, die meiner Einschätzung nach das schön aufgegriffene und erfreuliche Thema nicht unbedingt bestmöglich ausleuchten. Wer mich kennt, ahnt hinter Überschrift plus Einleitung einPortiönchen Kritik Richtung Journalismus und wird Recht behalten.

  1. Karen Noetzel wird im Redaktionsteam online anders als immerhin 2 Kollegen in der Zuständigkeit nicht für Mitte benannt. Trotzdem bearbeitet sie ein Thema in Moabit. Das mag im Alltag der Redaktion so üblich sein. Vielleicht aber ist die Zuordnung von Menschen zu bestimmten Bereichen eh nur eine, die lokale Nähe und damit intime Kenntnis eher suggerieren denn real abbilden soll.
  2. Die Formulierung „Direkt neben dem U-Bahnhof Turmstraße, zwischen Bäckerei und Blumenladen“ finde ich doch eher putzig als präzise. Wir verfügen seit hinreichend langer Zeit über das durchaus praktische System, eine Straße und eine Nummer zu benennen. OK, Freaks nähmen auch einen Satz GPS-Daten. Das Fehlen einer handfesten und üblichen Notation nehme ich als Bequemlichkeit entweder nachzufragen oder als Beleg, dass niemand vor Ort nachgeschaut hat. Die ausgelassene Chance für ein Bild im Beitrag belegt diese Vermutung vielleicht.
  3. Muss das wirklich sein, den Firmennamen statt Stiftung Pro Gemeinsinn gGmbH laut deren Webseite mit Stiftung „Pro Gemeinsinn“ gGmbH anzugeben? Das erinnert – gerade in Berlin – an überwunden geglaubte Zeiten, wo manches eher boulevardeske Druckerzeugnis aus merkwürdig verstandenem Patriotismus bei der Abkürzung DDR diesen Reflex zur Setzung von Anführungszeichen gelebt hat.
  4. Jetzt mein Lieblingsstolperer des Textes, den ich einfach zitiere, damit ich nicht durch indirekte Rede oder andere Änderungen keine Verwirrung stifte:

    Die Betreuung der Kinder richtet sich nach dem Berliner Bildungsprogramm.

    Dagegen stelle ich am einfachsten ein Zitat der Webseite des Landes Berlin, der die in meinen Ohren dröhnende Nichtaussage des Satzes in der Berliner Woche für mich klar werden lässt:

    Unsere Jüngsten brauchen nicht nur Betreuung, sondern auch Bildung. Deshalb setzen alle Berliner Kitas das Berliner Bildungsprogramm um.

    ALLE Berliner Kitas. Das ist also nichts, was irgendeiner Kita als Besonderheit zugeschrieben werden sollte, sondern allgemeine Geschäftsgrundlage für alle.

  5. So wie Hülsenfrüchte gewisse Nebenwirkungen haben, gilt das auch für abgefeuerte Sprachhülsen, wie „Die Öffnungszeiten der Kita orientieren sich am Bedarf der Eltern. “ Was bitteschön heißt das konkret? Werden die Öffnungszeiten individuell ausgehandelt? Gibt es eine regelmäßige oder sporadische basisdemokratische Diskussion, wann geöffnet ist? Kurz: Der Satz klingt irgendwie nett, ist aber weder mit Zahlen noch mit anderen Fakten greifbar gemacht und damit eher dem Typ hohle Phrase zuzuordenen.

Erstaunlich finde ich, dass ich das Gefühl nicht los werde, dass mir solche handwerklichen Merkwürdigkeiten bis Fehler inzwischen in beinahe jedem Beitrag aufstoßen, der mich inhaltlich interessiert. Ich frage mich, warum das so ist aber verrate meine Vermutung hier mal nicht. Denken Sie sich doch Ihren Teil, wenn Sie mögen. Habe ja zum Glück pfiffige Leser.

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