Kontroversenblogger – wider den Konsenszwang

Es fährt ein Rad nach nirgendwo

| 3 Kommentare

Das ist ja schon mal eine erfreuliche Gleichstellung des Verkehrsträgers Rad mit dem nach nirgendwo fahrenden Zug, den Andreas Holm seit meiner Jugend Teil 1 besingt. Sie ahnen, das Thema Fahrrad wird kommen. Ich versuche erst gar nicht, das zu leugnen. Und ich setze noch eine Triggerwarnung: Der Beitrag könnte Fragen, die Sie nicht lesen mögen und Meinungen, die Sie nicht teilen könnten enthalten.

Ich habe mir den zum Glück nicht benutzungspflichtigen frisch rot markierten Streifen auf dem nun dezimierten Gehweg der Turmstraße zwischen Waldstraße und Beusselstraße angeschaut. Meine wirren Gedanken dazu streben nach Ordnung. Vielleicht wird es durch Aufschreiben ja ein wenig besser.

Alpha und Omega

„Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.“ (Offenbarung 22,13)

Will heißen, normalerweise haben Wege einen Anfang und eine Ende. Philosophen widmen der Frage des Woherkommens und Wohingehens teilweise ihr gesamtes Forscherleben. In Moabit wird vor diesem Hintergrund nun Baugeschichte geschrieben. Denn der Weg hat keinen erkennbaren Anfang (Bild 1), weshalb er konsequenterweise auch über keine ordentliche Weiterführung verfügt (Bild 2). Ob das so geplant war, sich beim Bau spontan ergeben hat oder was sonst innovative Gründe sein mögen, wäre interessant zu erfahren.

noway 1

Wo geht es hier los? (Bild 1)

noway 3

Wie geht es weiter? (Bild 2)

Dicke

„Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin.“ (Marius Müller-Westernhagen)

Als sonderlich dick – ich meine damit breit – ist das lediglich wiederaufgefrischte aber letztlich neu wirkende rote Gepinsel auf dem Gehweg nicht. Abschreiten mit direkt hintereinander gesetzten Füßen zeigen bereits sicher einen Wert von weit unter 150 cm. Das ist meinem aktuellen Kenntnisstand nach die Mindestbreite, ab der ein Radweg verbindlich zur Nutzung vorgeschrieben werden kann. Das später zur Hilfe geholte Maßband ergab bei einer Stichprobe Breiten von recht genau 100 cm.

Selbst dieses im Sinne eines Radwegs indiskutabel schmale Streifchen schafft es, die für Fußgänger noch nutzbare Wegesbreite auf Nahezunull zu reduzieren (Bild 3). Das ist doch mal ein WTF wert.

noway 2

Äh, wo sollen jetzt Fußgänger rübersteigen? (Bild 3)

Haltestelle

Völig überraschenderweise wollen an der Bushaltestelle des M27 tagsüber regelmäßig Menschen einsteigen und aussteigen. Jeder einzelne Radfahrer, der sich da unfallfrei durchschlängelt, sollte über einen Auftritt im Zirkus als Radkünstler nachdenken.

Was dazu kommt, ist die keinesfalls gottgegebene sondern dummkopfgemachte Tatsache, dass nicht eben selten die Haltestelle von vorn und von hinten derart STVO-widrig zugeparkt ist, dass Busse in zweiter Reihe halten müssen. Das ist für ÖPNV Nutzer mit Kinderwagen, Rollstuhl und Mobilitätseinschränkungen verschiedener Art und Schwere wirklich richtig blöd.

Gelegentlich wird ja herumtheoretisiert, wie man den ÖPNV beschleunigen könnte. Ordnungsamt und Polizei könnten angewiesen werden, dass zuparken einer Haltestelle regelmäßig derart behindernd ist, dass sofort abgeschleppt wird, falls der Fahrer nicht bräsig im Fahrzeug sitzt, auf seine Einkäufe oder einen Imbiss wartet und auf Hupzeichen gnädigerweise Platz macht. Und Busfahrer der BVG könnten die Dienstanweisung bekommen, das Zuparken einer Haltestelle durchgängig über Funk zu melden, damit nachfolgende Busse nicht auf das selbe Hindernis stoßen.

Verkehrsarten

Das benannte Straßenstück ist auf dem Gehweg von gut frequentiertem Einzelhandel (u.a. Rewe und DM) sowie Dienstleistungsanbietern gesäumt, die so viel Fußgängerverkehr erzeugen, dass der talentarme Radwegdarsteller da wirklich nicht hingehört.

Andererseits gibt es satte 3 Spuren für den motorisierten Verkehr, der entweder in die durch Falschparker faktisch einspurige Huttenstraße mündet oder in die zuweilen arg theoretisch auf Tempo 30 gedrosselte Beusselstraße abfließt. Also ist da ohne viel geistige Verrenkungen eine Spur vorhanden, die sich prima für den seit Jahren wunschgemäß wachsenden Radverkehr nutzen ließe.

Fazit

Ich glaube, da muss planerisch noch mal jemand ran. Das kann so wirklich nicht gewollt sein. Oder wie ich etwas spitzer fragen könnte: Ist das derzeit ein Planungsfehler, ein Umsetzungsfehler oder ein Kontrollfehler?

Die Frage, was das Wiederauffrischen der Farbe gekostet hat, finde ich fast schon vernachlässigenswert, auch wenn es mich doch wurmt. Für das dort verbratene Geld hätte man auch wenigstens einen Teil einer besseren Lösung finanzieren können…

Nachträge

23.07.15

Nunmehr verfügt das Objekt auch über einen Anfang. Ich finde das eine interessante Lösung. Man könnte es die moabiter Nordkurve nennen. Warum? Guckst du:

noway 4

Viel Glück beim harten rechts-links-einfädeln.

24.0.7.15

Über unterschiedliche Kanäle erreichte mich folgende Aussage:

Aus den „gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen“ wurde hierzu folgendes verlautbart: „Es handelt es sich nicht um einen neu angelegten Radweg. Vielmehr gibt es für diesen Radweg schon seit vielen Jahren eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung die immer noch Gültigkeit besitzt. Die ursprüngliche Markierung war in der Zwischenzeit so abgefahren, dass sie nur noch schemenhaft zu erkennen war. Dies führte in der letzten Zeit vermehrtzu Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern, sowie zu den entsprechenden Beschwerden. Da der endgültige Umbau der Turmstraße mit der dabei verbundenen Verlegung des Radweges auf die Fahrbahn nach aktuellen Informationen auf  unbestimmte Zeit verschoben ist, (Planungsbefangenheit Straßenbahnplanung, Abhängigkeit Finanzierungszusage) hat sich das Bezirksamt entschlossen den Radweg für die Übergangszeit erneut zu markieren und somit zu verdeutlichen. Es war allerdings von Seiten des Bezirksamtes aus Kostengrünen und für die weitere Nutzbarkeit der Gehwegplatten lediglich die Markierung der beiden weißen Linien in Auftrag gegeben. Die ausführende Firma hat entgegen der Beauftragung hier den Bereich zwischen den beiden Linien rot eingefärbt. Dadurch wurde der Radweg nun so deutlich auffällt, dass er als „neuer Radweg“ empfunden wird. Der Radweg ist nicht benutzungspflichtig.“

Kopf –> Tisch.

Verwandte Beiträge

3 Kommentare

  1. Das habe ich gestern auch gesehen und den Kopf geschüttelt. Eine Katastrophe ist dieser Radweg mitten auf dem Gehweg. Überall wird davon geredet, dass die Radfahrer vom Gehweg weg sollen und dann so etwas. Welcher Schwachkopf in der Berliner Verkehrsverwaltung ist da nun wieder für verantwortlich? Liegt doch auch noch im Gebiet des Aktiven Zentrums, da sollte doch KoSP etwas dazu sagen können und ein Thema für die Stadtteilvertretung Turmstraße (AG Verkehr) waäre das wohl auch.

  2. Zu den „gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen“:
    Wie ist der damals erfolgte Rückbau einer Auffahrt (Nordseite) und die Absperrung mit Z 600 (Absperrschranke, Südseite) mit einer straßenverkehrsbehördlichen Anordnung zu vereinbaren? Dann müßten Rückbau und Absperrung ja illegal gewesen sein. Und wie ist ein „Radweg“ innerhalb (!) einer Fußgängerfurt, quer über den Blindenleitstreifen, zu erklären, und vor allem nach welcher Richtlinie ist ein solcher Konfliktpunkt zulässig?

  3. „Die ursprüngliche Markierung war in der Zwischenzeit so abgefahren, dass sie nur noch schemenhaft zu erkennen war. Dies führte in der letzten Zeit vermehrt zu Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern, sowie zu den entsprechenden Beschwerden.“
    Mich würde mal interessieren, wie viele Beschwerden es dazu in den letzten Jahren wirklich gegeben hat. Ich habe in den letzten 5 Jahren dort noch nie jemandem mit dem Rad langfahren gesehen. Und ich bin täglich in dem Bereich unterwegs. In der Regel ist es dort auf dem Bürgersteig so voll, das niemand auch nur auf die Idee käme, dass man da oder auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit dem Rad fahren könnte.
    Demjenigen, der diesen Irrsinn angeordnet hat, müsste man die Ausgaben der öffentlichen Hand für die neue Markierung vom Gehalt abziehen.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.