Kontroversenblogger – wider den Konsenszwang

Wahlen und Zahlen

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Ich bin einem Bauchgrummeln nachgegangen. Das Gefühl, dass irgendwas auf diesem Erdenrund mal wieder nicht so ist, wie es sein sollte, reicht mir dafür. Es ist erstaunlich, wo man gedanklich hin gerät, wenn man alte Antworten auch mal in Frage stellt.

Zahlenspielereien

Nimmt man sich das vorläufige Ergebnis der Bundestagswahl 2013 von der Seite des Bundeswahlleiters zur Hand, gibt das Zahlenmaterial Anlass zu Fragen, bei denen die Qualität bisheriger Antworten vielleicht Prüfung aufgibt.

Nichtwähler stärkste Fraktion

Bereits von den 2013 Wahlberechtigten 61903903 Menschen stellen die 17614251 Nichtwähler die zahlenmäßig stärkste Einheit. Diese Gruppe ist übrigens um über 18% stärker als die der CDU-Wähler. Bislang gilt: Wer nicht wählt, ist halt nicht mit seiner Meinung vertreten. Wie kann mensch mit friedlichen Mitteln systemändernd ausdrücken, dass die indirekte (teilweise zum Quadrat) Demokratie eher bald ergänzt, erweitert, verändert werden muss? Warum gibt es kein Quorum, das wenigstens Auswirkung auf die personelle Größe des Bundestags hat?

Mythos ungültig stoppt unerwünschte Exoten

Ich habe mehr als einmal gehört, dass Menschen nur wählen gegangen sind, damit aus ihrer Sicht unerwünschte Parteien den Einzug in den Bundestag nicht schaffen. Sie dachten, ihre ungültige Stimme würde die Bezugsgröße ändern, von der man die berühmten 5% überbieten muss. Das gilt aber nicht für abgegebene Stimmen sondern für gültige Stimmen. Ich habe nicht eben das Gefühl, dass dieser durchaus politische Aspekt so gut in der journalistischen Berichterstattung vorkäme wie z.B. Petitessen a la Kleidung (das Kostüm, der Anzug, die Krawatte von wem auch immer), die Rolle der Partner von Kandidaten (z.T. unsägliche Homestories) oder von Wahlkampf“strategen“ erdachte oder zufällig erzeugte putzige Gesten bzw. die sie repräsentierenden twitter Schreibweisen (@schlandkette, @peersfinger, #veggieday).

CDU mehrheitlich nicht gewählt

46989982 Wahlberechtigte haben die CDU nicht gewählt. Das sind stolze 75,9%. Ich frage mich damit einhergehend, was die hinterfragungsarme Schreibe zahlreicher Journalisten soll, die bislang größere Regierungsfraktion habe haushoch gewonnen. Wenn das Gefuchtel mit großen Touchmonitoren die kritische Analyse ersetzend überdeckt, finde ich das eher besorgniserregend als unterhaltend.

über 45% Wahlberechtigter nicht vertreten

Addiert man die errungenen Zweitstimmen der im neuen Bundestag vertretenen Parteien, sind dies 33604095. Setzt man diese ins Verhältnis zu den ursprünglich 61903903 Wahlberechtigten, sind gerade einmal 54,3% der Stimmen im Parlament vertreten. Die Addition gültiger aber nicht im Bundestag vertretener Stimmen liegt bei stolzen 10098379. Der (bisherige) Kunstgriff, dass Nichtwähler und absichtlich oder versehentlich ungültige Stimmen schlicht wegdefiniert sind, könnte man durchaus hinterfragen. Ab welcher Prozentzahl sich Beteiligender oder gültiger Stimmen wird eigentlich die Meinung des Volkes in ausreichendem Maße wiedergegeben, um das System im Kern unverändert weiter zu betreiben?

Repräsentanz

Wann ist ein politisches System optimal in dem Sinne konstruiert, dass ein Maximum vom Willen Einzelner sich in den Regeln und Handlungen von legitimierten Akteuren wiederfindet? Sollte der Bundestag nicht eigentlich auch ein Abbild der Gesellschaft sein? Zu viele Männer, zu viele Staatsdiener, zu viele Juristen, zu viel Alte, zu wenig Migrantischbewurzelte, zu wenig Menschen mit Handicap, zu wenig Menschen mit einfacher Schulbildung, … Die derzeitige Mischung wirkt ein wenig alt-elitär und damit durchaus hinterfragbar.

Exkurs Wahlrecht

Es gibt ein Musikstück von Johnny Clegg, das den eingängigen Titel „One man, one vote.“ trägt. Das war in Südafrika lange Zeit nicht nur eine Forderung nach politischer Teilhabe, sondern im technischen Sinn der Wunsch nach klarem d.h. jedem einleuchtenden Design. Davon hat sich das Wahlrecht von Deutschland mindestens teilweise entfernt. Ob diese Weiterentwicklung genannte Verkomplizierung mehr Gerechtigkeit oder mehr Abwendung produziert, wäre eine schöne Frage u.a. für Soziologen und Politologen.

Hand aufs Herz: Wissen Sie ohne irgendwo nachzuschauen, wie sich das in Deutschland verwendete Wahlrecht nennt? Wissen Sie, was genau es mit aktivem, passivem Wahlrecht und der 5% Hürde auf sich hat? Warum liegt das Wahlalter bei 18 Jahren, auch wenn vermutet werden kann, dass die derzeit Jüngeren unseren Schuldenberg zu mindestens großen Teilen erben werden?

Appendix personelle Größe Staatsorgane

Personelle Größe ist vorsichtig ausgedrückt kein Garant für besonders gute Arbeitsergebnisse. Die Größen des Bundestags (gern addiert Angestellte der Abgeordneten und zuarbeitende Stiftungen und Lobbyisten), des Bundeskanzleramtes und des Bundespräsidialamtes scheinen im mathematischen Sinn nur die Richtung Wachstum zu kennen. Es fällt vermutlich manchem schwer zu sehen, wie die dafür erzeugten Mehrausgaben jeweils ein mehr an Lebensqualität oder Wohlfahrt für die Bürger gebracht hätten.

Diskutieren und handeln Sie gern. Dazu lade ich herzlich ein.

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