Kontroversenblogger – wider den Konsenszwang

Schnittstelle Staat Bürger

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Status Quo

In Sonntagsreden von Politikern zahlreicher Couleur dient der Staat seinen Bürgern. Das ist im Kern richtig, jedoch vorsichtig ausgedrückt unausreichend modern, transparent und intuitiv organisiert. Es gibt einen historisch gewachsenen Flickenteppich von Öffnungszeiten, Zuständigkeiten, überwiegend offline Zugänge zu Informationen und Anträgen sowie das eine oder andere online Verfahren. Dabei wird willkürlich wirkend meist die archaische Papierform bevorzugt, andererseits aber auch zwangsweise eine online Lieferung von Daten beispielsweise von Unternehmen (ELSTER) gefordert.

Wurzeln

Bei der uneinheitlichen Schnittstelle des Staates zu seinen Bürgern bemerkt der geneigte Beobachter immer noch die Kleinstaaterei, die Wesensmerkmal Deutschlands vor der Reichsgründung 1870/71 war. Leute, das ist beinahe 150 Jahre her. Ich würde unrecherchiert vermuten, dass es in manchen Bundesländern immer noch uneinheitliche Verfahren gibt, weil es dort früher einmal Grenzen gab. Insellösungen, mehrfache Produktionen und Einführungen von Lösungen dürften den Steuerzahler einiges extra kosten. Ein vielleicht nicht jedem einsichtige Wurzel scheint mir auch immer noch der Obrigkeitsstaat zu sein. Wie kann es sonst sein, dass der eigentlich Dienende diskussionslos und sagen wir mal nicht immer transparent entscheidet, in welcher Form und Qualität er dem Bedienten seine Leistung anbietet? Es existiert ein zumindest gefühltes Primat der Verwaltung sowohl gegenüber dem Bürger als auch der Politik. Beides halte ich für nicht wünschenswert.

Exkurs Wirtschaft

Stellen Sie sich bitte vor, ein Unternehmen mit tausenden Mitarbeitern und dutzenden Standorten würde den selben Wildwuchs an Verfahren und Normen in der Zusammenarbeit laufen lassen. Wie lange wäre es wohl erfolgreich? Zum Glück gibt es von klugem Firmendesign über ein aktives Verbesserungswesen bis hin zur Kontrolle durch Eigentümer einige Instrumente, die für einen systemimmanenten Zug zur Verbesserung taugen. Ich bin nicht der Ansicht, dass das in der Wirtschaft durchgängig klug verwendet wird, eine qualitative Überlegenheit in der Produktivität zum Staatsapparat scheint mir jedoch offensichtlich.

Exkurs Zuständigkeiten

Nehmen wir die Nichtbaustelle Wikingerufer. Die liegt im Bezirk Mitte. Also könnte ein Bürger das Bezirksamt für zuständig halten. Dass eine Wasserstraße eher Landessache sein könnte, ließe sich auch erahnen. Also Senatsebene. Je nach Bedeutung der Wasserstraße könnte es bei Fragen zum Stand der Dinge aber auch Bundesangelegenheit sein. Und in Zeiten von Europa muss man auch mit Zuständigkeit von Europa rechnen. Wozu führt das? Zu Abstimmungsbedarf in eigentlich unnützem Umfang, Intransparenz für den Bürger, längeren Verfahren und irgendwann akzeptierten suboptimalen Lösungen, damit überhaupt irgendwann etwas passiert. We are not amused.

Bundesticketsystem

Setze ich an den Anfang von Überlegungen zu Reformen das klar formulierte Primat des Bürgers, verbietet sich das bisherige Design eigentlich, wo der Bürger die Zuständigkeit erraten oder recherchieren muss. Ein bei Entwicklungsprojekten vieler Art gängiges Ticketsystem könnte einen Lösungsansatz darstellen. Eine bundeseinheitliche Maske zur Erfassung von Anfragen und Hinweisen könnte z.B. folgende Daten einsammeln: Absender (lesbar oder anonym), Ortsangabe, Datum, die Frage / das Anliegen, vermutete Zuständigkeit, Wunsch nach privater oder öffentlicher Antwort. Vermutlich müsste es noch einige Felder mehr geben. Nach Eingabe erhält der Nutzer eine Ticketnummer, anhand der er den Fortgang jederzeit aktiv verfolgen kann. Dispatchen ist Aufgabe einer Stelle, die alle betroffenen Stellen vom Ticket informiert. Ob diese Stellen weiter ihre Insellösungen pflegen dürfen, ist u.a. betriebswirtschaftlich zu prüfen. Je nach Art der Anfrage sollte es möglich sein, zu garantierten Antwortzeiten und sei es für einen Zwischenbescheid zu kommen. Ein solches Verfahren würde es auch ermöglichen, Hinweise zu clustern und somit zu sehen, was aus Sicht der Bürger zu drängen scheint. Und wenn es bereits eine öffentliche Antwort z.B. zum Wikingerufer gäbe, könnte statt der zuständigen Stelle bereits das dispatchende Team auf den öffentlichen Teil bisheriger Antworten verweisen und sich damit einiges erledigen, was ansonsten die Fachstellen belastete, weil ja auch der hundertste Bürger einen Anspruch auf individuelle Antwort hat.

Sinn dieses Beitrags

Gern sehe ich mich als ohne Scheuklappen hinschauenden und mitdenkenden Bürger, dem das Wohl seines Landes wichtig ist. Dabei ist mir im konkreten Fall ein besserer Dienst am Bürger, der auch Ressourcen schont, wichtiger als die mehr oder minder gesicherte Wohlfühlzone und die Interessen einzelner Verwaltungen. Die Kette Bürgerinteresse als detektierter Bedarf, Steuerung durch gestaltende Politik und die Verwaltung als echter Dienstleister, der dann auch stolz auf seine Leistung sein sollte, bedarf einer zeitgemäßen Revitalisierung und Neuordnung. Was meinen Sie dazu?

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