Die an Dümmlichkeit inzwischen schwer überbietbare bewegtbildgestützte Werbung im Medium Fernsehen sind mir in verschiedenen Branchen aufgefallen. Aus Gründen, die ich nicht schlüssig darlegen könnte, scheint mir das im Reisemarkt besonders auffällig zu sein.
Unter Reisemarkt verstehe ich in diesem Beitrag als Minimum eine Kombination von einem Ticket für Transport und die Buchung von Übernachtungen.
Menschenkette
Schauen wir uns mal die Liste der Menschen an, deren Dienste ein typischer Bucher einer Pauschalreise in Anspruch nimmt, auch wenn sie teilweise als Leister nicht wahrgenommen werden. Es sind nicht zwingend für jede Reise alle Menschen beteiligt. Es geht um die Dimension der Arbeitsteilung und die Reihenfolge ist in etwa die des Auftretens der Dienstleister.
- Reisebüromitarbeiter / Beratung
- Callcentermitarbeiter / Buchung
- Mitarbeiter ÖPNV / Zubringerdienst Flughafen/Bahnhof
- Sicherheitsmitarbeiter / Security Flughafen/Bahnhof
- Check-in Mitarbeiter / Reisedatendokumentation
- Aufgabegepäck verladende Mitarbeiter / Aufgabegepäck
- Zugführer / Transport
- Pilot und Copilot / Transport
- Bordrestaurantmitarbeiter / Speisen und Getränke
- Fahrkartenkontrolleur / Bezahlfairness
- FlugbeleiterInnen / Flugwellness
- Mitarbeiter Flugsicherung / Koordination Flugverkehr
- Aufgabepäck ausladende Mitarbeiter / Aufgabegepäck
- Wagenverleih Mitarbeiter/ Transport
- Mitarbeiter ÖPNV / Zubringerdienst Ferienort
- Taxifahrer / Zubringerdienst Ferienort
- RezeptionistInnen / Empfang Schlüsselmanagement
- Room Service / Reinigung und Ordnung
- AnimateurInnen / Bespaßung
Sozialpolitische Rätselaufgabe an alle: Welche der beispielhaft aufgezählten Personen bekommen wohl mehr als 8,50 Euro pro Stunde (Der in Deutschland recht geduldig auf Papier stehende Mindestlohn.)? Was könnte oder vielleicht sollte man daraus folgern, dass viele der aufgelisteten Menschen vermutlich dauerhaft beschämend schlecht bezahlt werden?
Akteursammlung
Bei der Herstellung des Produktes Reise wirken unterschiedlich große und verschieden organisierte Unternehmen mit, die dazu einen konstruktiven Beitrag leisten. Es gehen aber auch lohndrückende Impulse von ihnen aus, die vielleicht kritisch zu bewerten sind. Die Akteure werden eher grob abgrenzend und vermutlich nicht abschließend dargestellt und es wird jeweils ein Beispiel für Druck auf Löhne nach unten angedeutet.
- ÖPNV-Anbieter / Ausgründung von Servicegesellschaften zur Vermeidung guter alter Tarifbezahlung
- Taxiunternehmen / energisches Anbieten von Pseudoselbständigkeit zur Abwälzung des unternehmerischen Risikos
- Security-Einkäufer für Verkehrsknotenpunkte / Ausgliederung aus eigenem Unternehmen zur Tarifflucht
- Fluglinie / Gründung von Billigmarke, um Lohnkonkurrenz im eigenen Haus zu erzeugen oder zu verstärken
- Hotelier / Saisonverträge mit der Tendenz, unternehmerisches Risiko auf Arbeitnehmer abzuwälzen
- Reiseanbieter / kombinieren lediglich Bausteine und kaufen diese stark rabattiert ein
- Vergleichsportale / machen Druck auf Reiseanbieter, Fluglinien und Hotels, was weitere Rabatte angeht
Reisende
Solange Reisende zu mindestens gefühlt weiter sinkenden Preisen mehr Leistung erwarten und die von ihnen gezahlten Summen in der Tendenz so verteilt werden, dass zentrale Player ohne eigenen Leistungsbeitrag an der eigentlichen Reise Geld abschöpfen, werden in der Kette die eigentlich Leistenden Jahr für Jahr weniger vom Kuchen abbekommen. Ist das fair? Fühlt es sich gut an, dass Menschen vor Ort, die die eigentliche Arbeit für Ihr Wohlbefinden machen, von gnädigerweise spendierten Trinkgeldern abhängig sind statt einigermaßen fair bezahlt zu werden? Wie sinnvoll ist es, das Konzept überquellender Büffets reicher bis dekadenter Länder weltweit auszurollen, Reisende damit überzuernähren, massenhaft wertvolle nicht gegessene Lebensmittel zu vernichten und von diesem „tollen Angebot“ in Berichten zu schwärmen? Ich habe das Gefühl, das Thema Reisen und Fairness ist weitere Gedanken wert. Was meinen Sie?